Das Lachen ist zurück in Julijanas Leben. Dunkle Stunden hat sie hinter sich. Wegen einer intensiven Krebstherapie verbrachte sie drei Monate im Krefelder Helios-Klinikum. 2020 wurde bei ihr die noch recht unerforschte Langerhans-Zell-Histiozytose festgestellt. Nun aber ist die Lust wieder spürbar auf Bewegung, Auslastung und sportliche Aktivitäten, die die langen Tage auflockern. Julijana ist eine der Teilnehmerinnen an der zukunftsweisenden „POWER-Studie“, die die Sportwissenschaftlerin Sandra Goertz in Kooperation mit der Kinderonkologie des Helios-Klinikums Krefeld durchführt. Die Studie soll wissenschaftlich dokumentieren, wie der Sport zu neuer Stärke von Körper und Geist bei jungen Krebspatienten führt. Auf dem Gebiet der Erwachsenen gibt es zu diesem Thema schon viele Erkenntnisse. Nun soll auch die Kindermedizin profitieren.
Die 13-jährige Julijana zögerte keine Minute. Ihre Teilnahme stand für sie schon unmittelbar nach Beendigung der Intensivtherapie außer Frage. Das Sportprogramm mit regelmäßigen und vielfältigen Bewegungsübungen erstreckte sich über einen Zeitraum von zwölf Wochen. Julijana hat unter anderem in einem Parcours mit verschiedenen Kleingeräten trainiert, den Sandra Goertz bei gutem Wetter im Garten der „Villa Sonnenschein“ – dem Elternhaus des „Fördervereins zugunsten krebskranker Kinder Krefeld“ – aufbaute. Jeden Augenblick davon genoss die Realschülerin. Es ist ein Gewinn für beide Seiten. So viel steht jetzt schon fest. Mit einer Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining, gepaart mit Koordinations-, Entspannungs- und Dehnübungen, ging es zweimal pro Woche hinaus. Mit Tanzvideos hatte alles noch zu Zeiten der Intensivtherapie in der Klinik begonnen, mit steigender Ausdauerleistung kamen weitere Sportübungen hinzu. Alles wohl dosiert, gemessen an der Leistungsfähigkeit des Mädchens.
Julijana liebte das Trampolino, durfte weitere Wünsche für bestimmte Übungen mit einfließen lassen. „Ich fand es schön, mit Sandra gemeinsam zu trainieren, zu turnen und zu tanzen“, erzählt die junge Probandin über ihre Zeit an der Seite der Sportstudentin Goertz, die an ihrem Master-Abschluss arbeitet, die Forschungsarbeit von ihrer nach Niedersachsen abgewanderten Vorgängerin Lisa Maas übernommen hat und nun vollenden wird. Bis 2025 werden dazu noch Erfahrungen von circa 50 Teilnehmern zusammengetragen. Dann wird das Ergebnis stehen und hoffentlich die These gestützt werden: Sport verbessert mit gezielten Bewegungstherapien die körperliche und mentale Gesundheit junger Krebspatienten nach Abschluss der Intensivbehandlung. „Die Rückmeldungen der Eltern sind positiv“, erzählt die 29 Jahre alte Sandra Goertz über die Begleitphänomene der Untersuchung: „Sie sind froh über die Unterstützung. Es macht viel mit der Psyche der Kinder. Sie werden wieder selbstbewusster.“
An drei Testtagen werden verschiedene Parameter erfasst: kognitive Leistungsfähigkeit, Blutabnahme, Echokardiographie, Krafttests, Abfrage der Lebensqualität, eine Bioimpedanzanalyse und eine Spiroergometrie, um die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit herauszufinden. Die „POWER-Studie“ wird Teil der späteren Doktorarbeit der Sportwissenschaftlerin werden. Goertz stellt positive Folgen durch die Teilnahme der Kinder fest: „Man merkt, dass es ihnen guttut. Sie haben Spaß, sie spüren Ablenkung. Man sieht ihre Energie. Wir möchten Kindern und Jugendlichen neues Vertrauen in die eigene Stärke schenken. Sport ist dafür ein tolles Instrument.“ Die ausgehändigten Fitnessuhren dürfen die Probanden behalten. Ein Anreiz, um auch in Zukunft weiter in Bewegung zu sein und nicht vor Computer, Spielkonsole oder Fernseher hängen zu bleiben. Ziel ist es, Sport als Teil der Krebstherapie aber auch als Nachsorge in den Leistungskatalog der Krankenkassen zu integrieren.
Nicht nur bei den Teilnehmern ist die Stimmung gut. Auch die begleitenden Ärzte sind sehr angetan von den ersten Effekten. Professor Tim Niehues als Chefarzt der Kinderklinik und Oberärztin Dr. Nina Brauer stehen in engem Kontakt mit Sandra Goertz und Co. „Es ist ein Herzensprojekt, an dem wir seit vier Jahren arbeiten. Was bei Brustkrebspatientinnen bereits durch viele Studien belegt ist, wird auch bei Kindern funktionieren, die an Krebs erkrankt sind“, erzählt Brauer hoffnungsfroh: „Wöchentlicher Sport mindert die Gefahr von Infektionen, verbessert die Stimmung und erleichtert die Integration in den Alltag.“ Den wissenschaftlichen Teil der „POWER-Studie“ betreuen die Kollegen aus dem Netzwerk ActiveOncoKids am Uni-Klinikum Essen.
Ohne große finanzielle Unterstützung aber wäre diese Studie nicht realisiert worden. Dem „Förderverein zugunsten krebskranker Kinder aus Krefeld“ gilt der Dank – er finanziert die Studie aus Spendengeldern. „Es ist von Beginn an eine wichtige Aufgabe unseres Vereins, die Forschung zu unterstützen“, reicht der Vereinsvorsitzende Jens Schmitz das Lob weiter an die Frauen und Männer der Studie. Als Schirmherrin des Projekts trat die frühere Krefelder Spitzenschwimmerin Anne Poleska-Urban in Erscheinung. „Als Sportlerin weiß ich, wie sehr sich ein gutes Körpergefühl auf das Wohlbefinden auswirken kann.“ Schnellere Genesung, mehr soziale Kontakte und eine dauerhafte Stärkung des Immunsystems. Diese Erkenntnisse erhoffen sich die Beteiligten von der Studie. „Wir können hier in Krefeld direkt mitverfolgen, wie die Ergebnisse sind, einen Heilungserfolg zu schaffen“, freut sich auch Karsten Körner, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins.
Kinder und Jugendliche nach der belastenden Krebsbehandlung und Niedergeschlagenheit aus der Lethargie herausbekommen. Bei Julijana und anderen Teilnehmer*innen hat es schon gut funktioniert. Aus einem Funken Hoffnung wird echte Lebensfreude. Für Julijana und alle anderen Teilnehmern hat sich aller Einsatz schon gelohnt.
Förderverein zugunsten krebskranker Kinder
Vorsitzender: Jens Schmitz
Lutherplatz 33
47805 Krefeld
Telefon: 02151 - 306644
Mail: info@krebskinder-krefeld.de