Wenn Begriffe zur Mode werden, wird ihre Bedeutung oft verwaschen. So soll man heute gegen alles mögliche „resilient“, zu Deutsch: „widerstandsfähig“, sein: gegen den Ärger, wenn man mal die Bahn verpasst oder sich im Supermarkt jemand vorgedrängelt hat, gegen den unfreundlichen Nachbarn oder gegen den Chef, der immer Druck macht. Im ursprünglichen Wortsinn ist Resilienz aber vor allem in den großen Lebenskrisen gefragt: während der Scheidung, bei einer Kündigung, bei einer schlechten Diagnose durch den Arzt oder in Trauerfällen. Diese Krisen gilt es zu meistern, ohne vor ihnen zu kapitulieren.
Resilient sein bedeutet aber keinesfalls, alles an sich abprallen zu lassen. Es ist normal, dass der Verlust eines geliebten Menschen nicht spurlos an uns vorübergeht, dass er uns für einige Zeit außer Gefecht setzt und uns seelische wie auch körperliche Schmerzen bereitet. Emotionale Reaktionen sind keine Schwäche, die es abzustellen gilt. Im Idealfall lernen wir etwas aus Krisen, vor allem natürlich über uns selbst, sodass wir beim nächsten Mal besser gewappnet sind, weil wir es schon einmal durchgemacht haben. Das ist Resilienz: Wer über sie verfügt, beginnt irgendwann von selbst zu reflektieren, das Erlebte zu verarbeiten, neue Kraft zu tanken und dann wieder aufzustehen. Wie resilient wir sind, ist zum Teil Frage unserer Veranlagung und Erziehung, aber wir können Resilienz auch erlernen und trainieren. Der erste Schritt zu einem gesünderen Umgang mit Schicksalsschlägen ist es, sich Schwächen zu erlauben – und sich darüber kennen zu lernen.
„Mund abputzen und weitermachen“ – das hört man oft als Leitsatz zum Umgang mit Krisen. Aber es ist fraglich, ob man mit dieser Haltung wirklich etwas dazulernt. Jeder Fortschritt fußt schließlich darauf, dass wir kurz innehalten und die erlebte Situation betrachten. Warum habe ich so gefühlt? Was hat das Gefühl mit mir gemacht? Hat mir meine Reaktion geholfen oder mich beeinträchtigt? Es ist gar nicht so entscheidend, all diese Fragen immer abschließend beantworten zu können. Allein die Tatsache, dass wir in der Lage sind, einen Schritt zurückzutreten und uns und die Situtation von außen zu betrachten, ist schon Beleg dafür, dass wir die Kontrolle über uns nicht völlig abgegeben haben. Resilienz hilft uns, weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Pflegen und trainieren Sie also Ihr Immunsystem der Seele!