Jetzt hat es auch mich erwischt: Das Corona-Virus hat in der Delta-Variante zugeschlagen. Ich kam mit meiner Familie aus den Herbstferien in Österreich nach Hause zurück und verspürte ein leichtes Kratzen im Hals. Beim Test, den ich zur Sicherheit meiner Patienten und Mitarbeiter jeden Morgen in meiner Praxis vornehme, zeigte er sich dann schnell: der ominöse, gefürchtete zweite rote Strich im Teströhrchen. Meine Verwunderung war größer als der Schreck, schließlich waren wir im Urlaub sehr vorsichtig gewesen und hatten uns stets an alle Regeln gehalten. Und bevor Sie fragen: Natürlich bin ich geimpft! Sogar in der Kombination aus AstraZeneca und Biontech, die angeblich besonders wirksam ist.
Doch das hatte alles nicht geholfen: Das leichte Kratzen im Hals wich schnell den Symptomen einer mittelschweren Grippe, ich litt unter Kurzatmigkeit und verlor Geruchs- und Geschmackssinn. Zum Glück war das alles nur von kurzer Dauer: Nach drei Tagen ging es mir schon wieder besser. Aber wie hatte das eigentlich passieren können? Diese Frage beschäftigte mich und so setzte ich mich während meiner 14-tägigen Quarantäne noch intensiver als zuvor mit COVID-19 auseinander. Ich unterhielt mich mit Freunden und Bekannten und hörte dann schnell auch die Geschichten über Ungeimpfte, die sich infiziert, aber im Gegensatz zu Geimpften wie mir nur leichte oder überhaupt keine Symptome entwickelt hatten. Merkwürdig, oder? Doch trotz solcher Berichte bin ich weder zum Skeptiker noch zum Impfgegner geworden. Mir ist lediglich klar geworden, dass hinsichtlich Ausprägung und Schwere der Erkrankung anscheinend deutlich mehr Parameter ausschlaggebend sind, als bisher angenommen. Um es ganz plump zu sagen: Ich hatte Pech, die diversen ungeimpften Bekannten hingegen Glück.
Aus diesen Schilderungen über Impfdurchbrüche nun die Folgerung zu ziehen, dass die Impfung sinnlos ist, wie es viele Laien tun, halte ich für einen Fehlschluss. Als Arzt vertraue ich bei meinen Medikamentenempfehlungen stets der Wissenschaft und den Vorgaben, die mir von Forschungs- und Zulassungsstellen gemacht werden. Und genauso vertraue ich bei Impfungen als Patient selbstverständlich den offiziellen Statistiken und Empfehlungen der Fachgesellschaften, die wissen, wovon sie sprechen – mehr als irgendwelche Fernsehköche oder fehlgeleitete Popstars mit übersteigertem Geltungsdrang.
Wenn ich in mein Fahrzeug steige und die Entscheidung treffe, mich anzuschnallen und den Airbag einzuschalten, vertraue ich schließlich auch den Zahlen der Unfallstatistiken, aus denen eindeutig hervorgeht, dass diese Mittel dazu geeignet sind, mein Leben zu retten – auch wenn es Glückspilze geben mag, die einen schweren Unfall trotz Verzicht auf all diese Sicherheitsvorkehrungen überlebt haben, oder natürlich Fälle, in denen beides nicht hilft. Niemand käme ernsthaft auf die Idee, daraus abzuleiten, dass Sicherheitsgurt und Airbag überflüssig sind.
Es mag für den Einzelnen gute oder zumindest nachvollziehbare Gründe geben, auf die Impfung zu verzichten. Und selbstverständlich darf und soll jeder diese Entscheidung selbst treffen. Aber lassen Sie uns bitte nicht über Sicherheitsgurte diskutieren. Einverstanden?
Ihr Wojtek Honnefelder