„Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.“ Der Satz ist bekannt, aber stimmt er auch? Dass jede Rose anders ist, ein unverwechselbare Gestalt und unterschiedliche Bedeutungen hat, zeigt ein Besuch im Atelier von Marita Baums. Die Diplom-Pädagogin und Heilpraktikerin für Psychotherapie bietet ihren Klienten auch die Kunsttherapie an.
Sechs Bilder liegen ausgebreitet auf dem Fußboden. Alle zeigen Rosengewächse, keines ist wie das andere. Eine Rose ist gelb, eine andere rosa. Eine hat sehr dicke Wurzeln, eine andere gar keine. Eine wächst an einer Hauswand hinauf, eine neben einem Grab. Eine unter freiem Himmel, eine andere eingezäunt in einem Garten. Die Bilder sind Ergebnisse der Rosenmeditation, die Baums mit ihren Klienten zum Einstieg der Therapie macht: Sie erhalten danach die Aufgabe, sich selbst als Rose darzustellen. Die Übung eignet sich deshalb gut für den Start, weil die meisten Menschen eine Rose malen können – auch wenn sie noch nie oder schon lange nicht mehr kreativ tätig waren.
Anschließend wird gemeinsam über das Bild gesprochen. „Es ist nicht meine Aufgabe, das Werk zu interpretieren“, bekräftigt Baums. „Ich betrachte lediglich, teile mit, was mir auffällt oder stelle Fragen. Die Deutung überlasse ich immer meinen Klienten selbst.“
Die Hemmschwelle zu senken ist wichtig, noch besser ist es, eine inspirierende Atmosphäre zu schaffen: Betritt man das Atelier der Therapeutin in dem charmanten Altbau im belgischen Viertel Krefelds, bekommt man sofort Lust, sich kreativ zu betätigen. Arbeitstische, Pinsel, Farben und Materialien, dazu Kunst- und Bilderbücher sowie Spielfiguren und -karten wecken die Neugier. „Die Kunsttherapie hat ihre Wurzeln zu Beginn des 20. Jahrhunderts“, erklärt die freischaffende Künstlerin. „Psychotherapeuten, aber auch Surrealisten und Dadaisten entdeckten damals das Unbewusste als unergründliche Inspirationsquelle. Später waren die Ideen der APO ein wichtiger Einfluss, ebenso wie Beuys' Satz, dass jeder Mensch ein Künstler ist.
Der Schöpfungsdrang ist bei jedem Menschen vorhanden, aber er drückt sich unterschiedlich aus: Der eine bastelt an seinem Auto, ein anderer singt unter der Dusche, wieder ein anderer führt Tagebuch. Die Kunsttherapie macht sich dies zunutze und setzt verborgene kreative Ressourcen wieder frei.“
Anstatt ihre Klienten nur über ihre Sorgen sprechen zu lassen, lädt Baums sie dazu ein, sie künstlerisch festzuhalten. „Ob man sich für einen großen Bogen oder für ein kleines Blatt, für Buntstifte, Kohle oder Pinsel, für Öl- oder Wasserfarben entscheidet, hängt vom indi- viduellen Befinden ab. Mit einem Pinsel hat man eine andere Distanz zum Papier als mit Kohle. Wasserfarben sind weniger fest als ein Bleistiftstrich“, erklärt sie. Wenn ihre Klienten ihre Ausdrucksform gefuden haben, können sie ihren Gefühlen und Gedanken ungefiltert Lauf lassen. „Vielen fällt das leichter, als über ihre Probleme zu sprechen. Manchmal ist es Scham, oft fehlen einfach die richtigen Worte“, lächelt die Therapeutin. Manchen schlägt sie die Kunsttherapie aktiv vor, andere kommen von sich aus mit dem Wunsch zu ihr, weil sie es vermissen, kreativ tätig zu sein. Es geht also gar nicht unbedingt um die Antworten, die die geschaffenen Kunstwerke geben, sondern um die heilenden Kräfte des Schöpfungsprozesses an sich. Ganz wichtig ist der Therapeutin, die Kreativität nicht durch Wertungen einzuschränken. „Gut und Schlecht oder Richtig und Falsch haben keinen Platz bei mir“, erklärt sie, „ich möchte den individuellen Ausdruck fördern. Es ist schade, dass Kindern im Kunstunterricht der Mut und die Freude genommen wird, sich auszuprobieren, indem man sie benotet.“
Aber die Kunsttherapie ist weit mehr als nur ein unverbindliches Angebot, sich künstlerisch zu betätigen. Wie in der klassischen Psychotherapie gibt es unzählige verschiedene Ansätze, Theorien und Anwen- dungsgebiete. Oft kommt sie in der geriatrischen oder onkologischenTherapie zum Einsatz, in Hospizen oder in der Palliativmedizin. Sie eignet sich für Kinder und Jugendliche, als Begleitung in Krisen- und Konfliktsituationen, zur Traumaverarbeitung oder zur Bekämpfung von Angstzuständen. „Angst ist heute ein großes Problem“, weiß Baums. „Viele Menschen leiden unter unbegründeten, diffusen Ängsten. Ich lasse sie ihre Angst dann als Person malen. Wenn sie auf dem Papier als Figur sicht- und greifbar wird, verliert sie viel von ihrer Bedrohlichkeit.“ Ein Klient klagte über einen Kloß, der ihm dauerhaft im Hals stecke. „Als er diesen Kloß dann verbildlicht hatte, erkannte er, dass es die Trauer über den Tod seiner vor Jahren verstorbenen Frau war“, erinnert sich die Therapeutin. „Es war ein befreiender Moment für ihn.“
Diese Befreiung zu ermöglichen, die wir erreichen, wenn wir tief in uns vergrabene Gefühle endlich loslassen können, ist es, was Marita Baums anstrebt. „Wir haben solch starke Heilkräfte in uns und wissen es gar nicht.“ In der Kunsttherapie erblühen sie zu neuer Kraft. Wie eine Rose.
Praxis und Atelier Marita Baums
Tenderingstr. 14
47803 Krefeld
Tel.: 02151. 8915918
E-Mail: maritabaums@posteo.de
www.www.therapie-maritabaums.de