Der „demografische Wandel“ ist uns allen ein Begriff – aber dass er uns früher oder später ganz persönlich betreffen wird, nämlich dann, wenn unsere Eltern pflegebedürftig werden, ist uns nicht so klar. Das führt zwangsläufig dazu, dass wir nicht gut vorbereitet sind, wenn es soweit ist. Orientierung können dann unter anderem Arbeitgeber vermitteln – und so nebenbei etwas für Mitarbeiterbindung und -gewinnung tun. Genau hier setzt das Krefelder Netzwerk Wirtschaft & Familie an: Es unterstützt seit vergangenem Jahr Unternehmen und Beschäftigte im Pflegefall mit zwei verschiedenen Angeboten. 

Wenn ein Pflegefall eintritt, müssen zunächst viele Fragen beantwortet werden: Welche Ansprüche haben ich als pflegender Angehöriger und der Pflegebedürftige selbst? An wen wende ich mich, wenn ich Hilfe benötige? Wie und bei wem beantrage ich finanzielle Unterstützung? Welche spezielle Ausstattung benötige ich für die Heimpflege? Die Recherche, die erforderlich ist, um diese Fragen zu beantworten, kostet Zeit, die zwischen Berufsleben und Alltag fehlt. Der digitale Pflegekoffer, den das Netzwerk Wirtschaft & Familie für Beschäftigte und Unternehmen gepackt und ins Netz gestellt hat, erspart die aufwändige Recherche. Alle wesentlichen Informationen, Ansprechpartner, Einrichtungen, Gesetzestexte und Kursangebote finden sich dort vorausgewählt und übersichtlich in verschiedene Kategorien einsortiert. Das Angebot an downloadbaren Broschüren, Flyern, Dokumenten und Formularen wird regelmäßig erweitert und aktualisiert. „Mit der Plattform geben wir den Angehörigen die wichtigsten Informationen an die Hand. Sie finden alle Adressen und Ansprechpartner und müssen nicht mehr selbst nach ihnen suchen“, erklärt Kristina Freiwald von der Wirtschaftsförderung Krefeld, die mit der Gleichstellungsstelle der Stadt Krefeld, der Agentur für Arbeit Krefeld, dem Jobcenter Krefeld, der Unternehmerschaft Niederrhein, den SWK und der Sparkasse Krefeld hinter dem Netzwerk Wirtschaft & Familie steht. Bislang lag der Fokus des Netzwerks vor allem auf der Unterstützung von Familien mit Kindern. Nun wird das Angebot konsequent um den Bereich „Altenpflege“ erweitert. „Das Thema ist immer noch wenig präsent, vor allem im betrieblichen Bereich“, weiß die Expertin.

Neben den Pflegenden selbst adressiert das Netzwerk deshalb auch Unternehmen: „Der Arbeitgeber ist ein wichtiger Ansprechpartner, schließlich verbringen Erwerbstätige einen Großteil ihrer Zeit im Unternehmen“, setzt Freiwald an. „Genau aus diesem Grund bieten wir die Zusatzqualifizierung zum ,Betrieblichen Pflegelotsen' an.“ Das zweitägige Seminar, das in Zusammenarbeit der Wirtschaftsförderung Krefeld und dem Willy-Könen-Bildungswerk des AWO Bezirksverbands Niederrhein e. V. ausgerichtet wird, vermittelt Personalverantwortlichen oder anderen Angestellten Grundlagenwissen rund um das Thema „Pflege von Angehörigen“. Der „Betriebliche Pflegelotse“ ist die offizielle Anlaufstelle im Unternehmen, die die grundlegenden gesetzlichen und betrieblichen Regelungen kennt und auf lokale Beratungs- und Unterstützungsstrukturen hinweisen soll. „Er übernimmt aber keine rechtsberatende Funktion. Seine Aufgabe ist es lediglich, Orientierung und Sicherheit zu vermitteln“, erläutert Freiwald das Konzept. 

Ein solcher Service wird in Zukunft immer wichtiger werden, das machen schon die statistischen Erhebungen deutlich. Von rund 3,7 Millionen Pflegebedürftigen werden nur etwa 800.000 in Pflegeheimen, alle anderen zu Hause betreut. Eine Zahl, die in den kommenden Jahren noch weiter steigen wird. „Unternehmen müssen sich darauf einstellen, mit dem Thema konfrontiert zu werden“, weiß Freiwald. „Es offen anzugehen, Empathie für pflegende Beschäftigte zu zeigen, existenzielle Belastung von ihren Schultern zu nehmen und sie zu unterstützen, stärkt nicht nur das interne Arbeitsklima, es ist auch ein Mittel zur Mitarbeiterbindung und zum Erhalt der rar gewordenen Fachkräfte.“ Viele Unternehmer sind sich indes des Bedarfs noch nicht bewusst. „Sie sagen, dass es keine privat Pflegenden in ihrer Belegschaft gäbe“, berichtet Freiwald von ihren Erfahrungen. „Tatsächlich ist es wahrscheinlicher, dass sie davon nicht wissen, weil pflegende Beschäftigte diese zusätzliche Belastung eher verschweigen.“ Ein Teufelskreis, denn diese Verschlossenheit verhindert letztlich, dass sie Unterstützung bekommen. Viele sind mit der Doppelbelastung aus Arbeit und privater Pflege irgendwann überfordert und werden selbst krank oder – schlimmer – kündigen schlussendlich. Dem können Unternehmen entgegentreten, indem sie ein Klima der Offenheit und Hilfsstrukturen schaffen. Denn eins ist klar: Wenn das Thema bei ihnen heute noch nicht akut ist, so wird sich das in Zukunft ändern. Wie wichtig es ist, vorausschauend zu agieren, zeigt sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie: Zwar bedeuten Homeoffice und Kurzarbeit vorübergehend Entlastung für privat pflegende Angehörige, doch die Kehrseite der Medaille sind geschlossene Tagespflege-Einrichtungen, die die Betroffenen vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. „Es geht darum, sich heute auf morgen vorzubereiten“, sagt Freiwald. Es ist eigentlich ganz einfach. 

Betrieblicher Pflegekoffer: www.pflegekoffer-krefeld.de
Betrieblicher Pflegelotse: www.pflegelotse-krefeld.de

Krefelder Netzwerk Wirtschaft & Familie
WFG Wirtschaftsförderungsgesellschaft Krefeld mbH
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E-Mail: kristina.freiwald@wfg-krefeld.de, www.wfg-krefeld.de