Wenn wir in unserer Vorurteile-Kiste wühlen, fallen uns unterschiedliche Assoziationen rund um das Thema „Yoga“ ein: Wir stellen uns alternativ anmutende Frauen in engen Leggins vor, die gemeinsam meditieren, sich bei ungewöhnlichen Dehnungsübungen verrenken und anschließend gut gelaunt und tratschend die warmen Räume mit ihren Matten verlassen. Dass Yoga aber viel mehr als nur eine „weiche“ Freizeitbeschäftigung für Frauen ist, beweist nicht nur die Wissenschaft.
Auch die leibhaftigen Yogis sind sich in dieser Sache einig: Als einer von wenigen Männern unterrichtet der Krefelder Frank Hampe seit über zehn Jahren Yoga in Krefeld und leitet zwei Gruppen speziell für die Herren der Schöpfung. Als männlicher Yogalehrer mit anerkannter Ausbildung in Deutschland ist er eine bekannte Koryphäe rund um das Thema „Männeryoga“. Kein Wunder, denn er weiß aus eigener Erfahrung, wie wenig sich seine Geschlechtsverwandten in einer stark weiblich dominierten Yogawelt angesprochen fühlen. „Männer ticken einfach anders als Frauen“, beschreibt der 55-Jährige und schmunzelt. „Wenn ich die Stunde mit dem Satz beginne 'Öffne dein Herzchakra', dann hört mir keiner mehr zu. Wir Männer brauchen eine andere Ansprache.“
Frank Hampe selbst kommt eigentlich aus einem ganz anderen Bereich: Als Kaufmann ausgebildet, arbeitete er viele Jahre in der Gastronomie, anschließend in der Softwareentwicklung und war zuletzt als Webdesigner tätig. Durch seine frühere Lebensgefährtin lernt er den Yogastil kennen, den er heute noch praktiziert, und entdeckt schnell den besonderen Reiz darin. „Ich hatte das Gefühl, dass ich mein Wissen vertiefen möchte, denn die Ausrichtung des eigenen Körpers und Denkens veränderte sich schnell“, erinnert er sich. „Ich tat mich aber schwer, jemanden zu finden, der mein Wissen als interessierter Laie vertiefen konnte, also beschloss ich, mich selbst ausbilden zu lassen.“ Heute möchte der Yogalehrer motivieren, eine andere Haltung zum Leben zu entwickeln. Im Kontakt mit männlichen Yogis erreicht er das durch klare, strukturierte Worte und Vorgehensweisen. „Die meisten Männer, die zu mir kommen, reagieren, weil sie vielleicht ein Burnout haben oder körperliche Beschwerden“, erklärt Hampe. „So ticken Männer. Da muss erst etwas sein, damit wir auf uns achten. Mein Ziel ist es, eine dauerhafte Achtsamkeit für die eigene Person zu vermitteln.“ Konkret bedeutet das: Obwohl uns die Gesellschaft prägt, nachhaltig mit unserem Lebensstil umzugehen, brauchen wir uns durch unseren Job und unsere Verpflichtungen im Alltag auf, bis Geist und Körper am Ende sind. Dem können wir vorbeugen, wenn wir es schaffen, unsere eigene Substanz nicht als Ware zu sehen, sondern als Gut. Jeder Kurs beinhaltet neben den klassischen Asanas, Atemübungen und den verschiedenen Meditationen auch eine kurze Besprechung einer Yoga-Philosophie.
In einer Lichtmeditation spricht Hampe zum Beispiel am Ende der Stunde das Thema Stressbewältigung über die Rückbesinnung auf die eigene positive Gefühlswelt an. Männer, so sagt er, haben Schwierigkeiten damit, die eigenen Gefühlsqualitäten zu kultivieren. Freundlichkeit, Mitempfinden, bestärkende Zuwendung und verständnisvolles Abstandhalten seien Vorgehensweisen, die sich für sie oft fremd anfühlen. „Ich fordere dann locker dazu auf, an einen Menschen zu denken, den sie lieben und zu dem sie gerne freundlich sind, und dieses Gefühl in sich wachsen zu lassen“, schildert der Yoga-Lehrer. „Wenn etwas sofort funktioniert, finden wir Männer es gut und vertiefen es auch. Das positive Gefühl stärkt uns und hilft, einen anderen Zugang zur eigenen Gefühlswelt zu bekommen.“ Auch Hampes eigene Gefühlswelt hat sich mit seiner Yoga-Ausbildung geändert: Einige Freunde sind gegangen, viele tiefere Bindungen sind dazugekommen. „Mein Bewusstsein und meine Achtsamkeit für mich haben sich verändert. Körperliche Beschwerden haben immer auch seelische Gründe. Die Stille im Yoga hilft da, sich selbst auf die Schliche zu kommen“, erklärt er. „Wenn ich für mich selbst Änderungen möchte, muss ich mich auch selbst ändern. Das habe ich verstanden.“
Nur rund zehn Prozent der Yogis in Deutschland sind Männer. In Hampes Studio liegt die männliche Teilnehmerzahl mit rund 40 Prozent deutlich höher. Wer in die indische Geschichte zurückschaut wird feststellen, dass Yoga für Frauen eigentlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg populär wurde, Yoga für Männer aber auf eine über 1.000 Jahre alte Geschichte zurückblickt: In alten indischen Quellen wird schon vor rund 3.500 Jahren von heiligen Männern gesprochen, die über die Atemübungen und Meditation ihr Bewusstsein erweitern und einen Zugang zu ihrer mentalen Kraft finden. „Ein bekannter Yogi hat mal gesagt, dass die Asanapraxis noch lange nicht die Spitze des Eisberges sei“, schildert Hampe. „Die Köperübungen sind nur dafür da, um die Meditation zuzulassen. Und vor allem wir Männer brauchen diese Vorbereitung des Körpers.“ Kritisch sieht er aber auch, dass die Berufsbezeichnung des Yoga-Lehrers in Deutschland nur wenig geschützt ist. „Das kann auch der Grund dafür sein, dass Yoga vielleicht von einigen so reduziert auf die Asanapraxis wahrgenommen wird“, überlegt er. Der gebürtige Hamburger hat seine Ausbildung über vier Jahre an der Yoga-Ayurveda-Akademie des Berufsverbandes der Yogalehrenden in Deutschland (BDY) absolviert und ergänzend noch Weiterbildungen im Bereich Einzelunterricht und Yogaphilosophie belegt. Alle seine Kurse sind bei den Krankenkassen anerkannt. „Das ist natürlich eine andere Ausbildung als zum Beispiel ein Wochenendseminar auf Bali“, sagt er und schmunzelt. „Bei Yoga kann man als Schüler und als Lehrer viel falsch machen. Ich kann nur jedem Interessierten raten, die Qualifikationen des Lehrers durch Recherche oder durch Ansprechen selbst zu klären.“
Neun unterschiedliche Kurse finden wöchentlich im Yoga Zentrum Krefeld am Friedrichsplatz 18 statt. Außerdem bietet Frank Hampe unterschiedliche Workshops an. Die Männergruppen treffen sich montags um 19.45 Uhr und donnerstags um 20 Uhr und sind regional das einzige Yoga-Angebot, das neben zahlreichen gemischten Kursen auch reine Männergruppen beinhaltet. Weitere Infos: www.yoga-krefeld.de, Telefon 02151-62 21 76