„Ich weiß, ich soll diese Zeit genießen, weil sie so schnell vorbeigeht – aber sie ist auch sehr anstrengend!“, seufzt die junge Frau erschöpft, die gerade mit ihrem drei Monate alten Sohn den Empfangsraum des Osteopathen Eric Husson betreten hat. Hier ließ sie schon in der Schwangerschaft die Rückenschmerzen behandeln, die sie am Schlafen hinderten. An Nachtruhe ist nun auch nicht zu denken, denn ihr Säugling tut sich schwer mit dem Stillen und weint viel. Die Entscheidung, die Praxis in Traar mit dieser Problematik aufzusuchen, fiel der zweifachen Mutter nicht schwer.
Den Menschen als Ganzes behandeln, das ist das Ziel der Osteopathie, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Amerikaner Andrew Taylor Still entwickelt wurde. Nach seinem Heilkonzept werden der Bewegungsapparat, die inneren Organe sowie das kraniosakrale System, also Kopf und Rückgrat, mit den Händen auf Beeinträchtigungen untersucht. Die anschließende Behandlung erfolgt durch manuelle Techniken, die sich in zwei Arten gruppieren lassen: Als „strukturelle Manipulation“ wird das aktive Lösen von Blockaden bezeichnet, das der Chiropraxis ähnelt, während die funktionelle Begleitung dabei hilft, dass sich Bindegewebe und die Organe aus Spannungen lösen. In Deutschland wurde die Osteopathie in den 1950er Jahren bekannt; heute zählt sie zu den alternativen Therapien, deren Kosten teilweise oder ganz von den Krankenkassen übernommen werden.
Eric Husson, ausgebildeter Physiotherapeut und seit 2004 Osteopath, ist bereits seit elf Jahren mit seiner Praxis an der Moerser Landstraße ansässig. Die Weiterbildung, nach der er mit der Anerkennung des Berufsverbandes der Osteopathen Deutschlands auch Kinder behandeln darf, absolvierte er vor vier Jahren. „Ich arbeite wie ein Chirurg, aber ohne Messer“, erläutert er die Präzision und Wirkungsweise der Arbeit, für die seine Hände das wichtigste Werkzeug sind.
Unter beruhigendem Flüstern legt er seinen kleinen, immer noch schlafenden, Patienten auf die Liege und tastet ihn sanft ab. „Schon ab dem zweiten Lebenstag können Säuglinge untersucht und behandelt werden“, erklärt der gebürtige Niederländer, „insbesondere bei Zangengeburten oder ‚Sternenguckern‘, also Babys, die mit dem Gesicht nach vorne auf die Welt kamen. Diese Geburtsarten wirken sich belastend auf das Nervensystem der Kinder aus.“ Während das Baby sich träumend unter seinen freundlichen Händen räkelt, erläutert Husson seine Vorgehensweise: „Wir prüfen zunächst den altersgerechten Entwicklungsstand des Kindes. Die Mutter oder der Vater des Kindes bleiben so nah wie möglich dabei, während ich den Kontakt aufnehme.“ Die Untersuchung beginnt am Becken, dann folgen im Verlauf nach oben die inneren Organe und der Kopf. Die Behandlung nennt Husson scherzhaft „Wassertechnik“: „Ein Baby besteht zu 95 Prozent aus Wasser, da brauche ich nur den leichtesten Druck, um Blockaden zu lösen.“ Mit einer Hand im Nacken des Kindes und einem Finger auf der Stirn demonstriert Husson die Behutsamkeit, mit der er seine Patienten therapiert. „Wenn ich bei einem Baby die wichtigen Nervenaustrittspunkte am Kopf massiere, kann ich die Entspannung wie eine Welle durch den Körper gehen spüren“, beschreibt Husson den Effekt dieses Verfahrens.
Probleme beim Stillen, wie sie auch der jungen Mutter und ihrem Baby zu schaffen machen, sind einer der häufigsten Gründe, warum Eltern den Weg zum Osteopathen finden. Elf von Hussons Patienten haben gerade an einer Studie mit insgesamt über tausend Säuglingen teilgenommen, bei der die Wirksamkeit der Kinder-Osteopathie in ihren fünf wichtigsten Behandlungsbereichen geprüft werden sollte. Husson, selbst zweifacher Vater, listet sie auswendig auf: „Fütterungsstörungen, schiefer Hals – auch als KiSS-Syndrom bekannt –, Plagiozephalie, also ein platter Kopf, Schreibabys und Schlafstörungen, das sind die Anliegen, mit denen die Eltern zu mir kommen. Meistens handelt es sich um Folgestörungen von Blockaden nach der Geburt.“ Mit den Ergebnissen der Studie ist Husson zufrieden, denn bei allen Beschwerden stellten sich beträchtliche Verbesserungen ein. Er erhofft sich für die Zukunft eine stärkere Bereitschaft der Schulmedizin, die Osteopathie als Therapiemethode zu empfehlen, denn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kinderärzten schätzt auch er: „Ich empfehle Behandlungen zwischen den herkömmlichen Kindervorsorgeuntersuchungen. Wenn alles Weitere abgeklärt ist, können die Kinder mit Verdacht auf osteopathisch behandelbare Störungen zwischen der U3 mit etwa vier Wochen bis zur U6, wenn sie ein Jahr alt sind, zu mir kommen.“
In den 40 Minuten seiner Behandlung hat der kleine Patient kaum einmal die Augen ganz geöffnet, und auch die Mutter wirkt entspannter. Bevor sie geht, macht sie einen neuen Termin – für sich selbst, ohne Kind. „Das empfehle ich allen Schwangeren und neuen Müttern, die zu mir kommen“, merkt Husson an, „denn ich muss auch die psychische Komponente der Mutter-Kind-Beziehung behandeln. Starke Anspannungen bei den Eltern wirken sich auch auf das Kind aus.“ So begleitet der Osteopath von der Schwangerschaft bis ins erste Lebensjahr und darüber hinaus nicht nur den einzelnen Menschen therapeutisch, sondern die Familie als Ganzes.
Eric Husson, Praxis für Osteopathie und Physiotherapie
Moerser Landstraße 389, 47802 Krefeld, Telefon: 02151-5695788, www.naturheilpraxis-traar.de