Wenn im Sommer die Außentemperaturen steigen, wächst mit dem Celsiuswert auf dem Thermometer auch die Zahl tragischer Meldungen in den Zeitungen. „Zehnjähriges Mädchen ertrinkt im Freibad“ oder „Mehrere Badetote am Wochenende – auch Fünfjährige ertrinkt“ lauteten Schlagzeilen der ersten Sommerwochen dieses Jahres. Jeden Sommer sterben mehrere hundert Menschen, viele davon Kinder, in Deutschland einen Ertrinkungstod. Anders als in Film und Fernsehen wedeln die Betroffenen allerdings nicht wild und lautstark schreiend mit den Armen, sondern versinken meist schnell und leise unter der Oberfläche. Vor allem Kinder werden in ihrer Notsituation oft übersehen. Was Eltern tun können, um das Schlimmste zu verhindern und wie sich auch Erwachsene vor einem Badeunfall schützen können, wissen die freiwilligen Retter der DRK Wasserwacht Krefeld.
Christian Reuter, Kreisleiter der DRK Wasserwacht, ist bereits seit mehr als 20 Jahren als ehrenamtlicher Wasserretter tätig und kennt die Risiken eines vermeintlich harmlosen Badeausflugs genau. Er und die rund 35 Freiwilligen im Krefelder Team patrouillieren am Elfrather See, am Rhein, in Schwimmbädern und bei allerhand Großveranstaltungen in Krefeld. „Zum einen können viele Kinder nicht oder nicht gut schwimmen, zum anderen unterschätzen viele Leute das Wasser“, erklärt Reuter. Seiner Erfahrung nach kümmern sich viele Eltern nach Erhalt der obligatorischen Seepferdchen-Auszeichnung in der Schule nicht darum, dass ihre Kinder weiter das Schwimmen trainieren und überschätzen deren Fähigkeiten. „Das Seepferdchen-Abzeichen heißt nur, dass sich das Kind für eine Strecke von 25 Metern über Wasser halten kann“, erläutert Wasserwacht-Vizeleiter Lutz Mohrmann. „Gut schwimmen kann das Kind da noch lange nicht.“ Auch Schwimmhilfen seien keine Sicherheits-Garantie, sondern trügen im schlimmsten Fall zur Selbstüberschätzung des Kindes bei, was waghalsige Unternehmungen im Wasser zur Folge haben könne. Ein nicht zu unterschätzendes Problem sei außerdem, dass viele Schwimmer die gängigen Baderegeln nicht kennen oder spezifische Sicherheitshinweise am Gewässer missachten. Gerade bei Seen, Teichen oder Flüssen gibt es Gefahren, die unter der Wasseroberfläche liegen und von außen nicht erkennbar sind. Besonders am Rhein passieren trotz der wiederkehrenden Zeitungsberichte über Ertrinkungsopfer immer wieder Unfälle. „Der Rhein ist eines der gefährlichsten Gewässer, die es in Deutschland gibt“, gibt Reuter zu bedenken.
Auch Wasserretterin Jennifer Debald, die speziell im Strömungsschwimmen ausgebildet ist, hat großen Respekt vor dem Fluss. „Ich würde da nicht freiwillig reingehen“, sagt sie bestimmt. Die 27-Jährige ist regelmäßig für die DRK Wasserwacht im Einsatz. Was natürliche Gewässer neben ihrem Gefahrenpotenzial besonders tückisch mache, seien die erschwerten Suchbedingungen im Fall eines Unglücks. „Wenn man nicht gesehen hat, wo ein Kind oder ein Erwachsener untergeht, ist es schwierig, die Person rechtzeitig im trüben Wasser zu finden. Auch wenn wir eine systematische Suche starten“, erklärt sie. Seit Kurzem setzt die Wasserwacht auch Drohnen ein, doch auch die kleinen Flugkameras kommen schnell an ihre Grenzen. „Wenn der Betroffene im Wasser absackt oder weggetrieben wird, sieht die Drohne auch nichts mehr“, erzählt Christian Reuter.
Wie lange ein Mensch ohne Atemluft überlebt, ist sehr unterschiedlich. Gerade im Sommer ist der Sauerstoff im Körper jedoch schnell verbraucht. Wenige Minuten unter der Oberfläche sind oft schon tödlich. Ab dem Moment, in dem ein Ertrinkender ohnmächtig wird, sinke die Überlebenschance pro Minute um etwa zehn Prozent, erklärt Lutz Morhmann und ergänzt: „Man sollte in jedem Fall die Reanimation einleiten, das ist Pflicht. Allerdings kann es sein, dass das Hirn bis dahin schon starken Schaden genommen hat.“ Wenn der Ernstfall eintritt, ist es wichtig, dass Eltern oder Angehörige der verunglückten Person unter keinen Umständen selbst die Bergung in Angriff nehmen. Ruhe bewahren, Notruf absetzen und Vertreter der Wassersicherheit ansprechen, lauten die drei goldenen Verhaltensregeln. „In keinem Fall sollte man hinschwimmen und versuchen, den Ertrinkenden anzufassen. Das ist ganz wichtig! Wenn sich derjenige in der Panikphase befindet, hat er in dieser Ausnahmesituation ein Vielfaches seiner normalen Kraft, auch wenn es sich um ein Kind handelt. Es klingt verrückt, aber im Notfall sollte man warten, bis die Lähmungsphase eintritt. Sonst kann es passieren, dass sich die Person festklammert und Sie mit unter Wasser zieht“, warnt Christian Reuter. Sollte kein Retter da sein, sei in jedem Fall zunächst ein Notruf abzusetzen. Anschließend könne man versuchen, den Ertrinkenden mit Hilfsmitteln aus dem Wasser zu ziehen. Häufig reicht schon etwas, an dem sich der Betroffene festhalten kann, beispielsweise ein Seil oder Ast.
Sofern man jemanden aus dem Wasser holt, der bereits das Bewusstsein verloren hat, ist es wichtig, sofort mit der Beatmung zu beginnen, um eventuell in der Lunge verbliebenes Wasser herauszubefördern. Doch selbst nach einem vermeintlich harmlosen Badeunfall ist erhöhte Alarmbereitschaft geboten. „Auch ein Fast-Ertrinken ist gefährlich. Die betroffene Person muss auf jeden Fall einem Rettungssanitäter oder Arzt zugeführt werden, auch wenn sie sagt, es gehe ihr gut. Derjenige kann noch Stunden oder Tage nach dem Unfall im Schlaf ertrinken, denn es kann noch Restwasser in der Lunge sein. Man spricht dann von sekundärem Ertrinken“, so Reuter. Besonders bei Kindern werden die Warnsignale nach einem Zwischenfall häufig übersehen. Bei Erbrechen, häufigem Husten, Schwäche und Müdigkeit nach dem Schwimmen sollten die Eltern umgehend einen Arzt aufsuchen.
Der Sommer kommt immer wieder – und mit ihm die unbeschwerte Badesaison. Damit der Familienausflug nicht zur Tragödie wird, reicht die Einhaltung weniger einfacher Regeln. Christian Reuter und seine Kollegen empfehlen zudem allen Eltern, ihre Kinder das Bronze- oder Silber-Schwimmabzeichen machen zu lassen und so früh wie möglich zum Schwimmunterricht anzumelden. Außerdem sollte jeder regelmäßig sein Erste-Hilfe-Wissen auffrischen – mittlerweile gibt es sogar spezielle Kurse für Erste Hilfe am Kind.
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