Mit einem Holzspatel holt Elke Kubzdela die dunkel glänzenden, zwischen drei und sechs Zentimeter langen Ringelwürmer aus einem Glas und hält sie ihrer Patientin an deren unteren Rücken. Die Frauen warten ruhig, bis alle vier Tierchen „anbeißen“ . Es klappt gut heute, nach knapp zwei Minuten sitzen sie da, wo sie sein sollen. „Das ist nur ein ganz kleiner Piks, mehr spürt man nicht“ , versichert die Patientin, und ihre Heilpraktikern fügt zufrieden hinzu: „Die tun jetzt brav ihre Arbeit“ . Ihre „Arbeit“ ist unter anderem Blut saugen. Drei bis fünf Milliliter schaffen Blutegel in etwa einer Stunde; dann sind sie voll. 

Seit zehn Jahren therapiert die Heilpraktikerin Elke Kubzdela ihre Patientin in Krefeld mit Blutegeln. Die Diplom-Biologin und ehemalige Krankenschwester kam darauf, als sie als Ausbilderin andere angehende Heilpraktiker einmal testweise mit den sagenumwobenen Blutsaugern behandelte und vom Erfolg dieses Versuches selbst überrascht war. Sie sagt: „Von da an wusste ich: Ich will diese Behandlung anbieten.“

Ob Gelenkschmerzen bei Kniegelenks- oder Daumensattelgelenksarthrose, Sehnenscheidenentzündungen wie Tennis- und Golfarm, Rheuma, Wirbelsäulen- oder Kreuzbeinbeschwerden – gegen viele Erkrankungen des Bewegungsapparates zeigen Blutegel gute Heilwirkungen. Auch bei Krampfadern, Abszessen, Furunkeln, Tinnitus, Mittelohrentzündung, Durchblutungsstörungen oder hormonellen Problemen lassen sich die Tiere einsetzen. Elke Kubzdela führt aus: „Schon vor über 3.000 Jahren haben die Ägypter die Heilwirkung der Blutegel genutzt, im Mittelalter wurden sie angewendet, und Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn der heutigen Schulmedizin um 1850 war der Blutegel in der Medizin so in Mode, dass er in Europa fast ausgerottet wurde. Diese Ära wurde auch scherzhaft ‚Vampirismus‘ genannt.“ Die Wirkungsweise der Blutegeltherapie hat aber mit „Vampirismus“ wenig zu tun, belegen wissenschaftliche Studien aus Deutschland und aus Russland. Die nachweisliche Heilung unterschiedlichster Beschwerden beruht nämlich nicht nur auf dem Blutabzapfen, wie lange irrtümlich angenommen wurde. Sondern darauf, dass die Blutegel Heilstoffe zurückgeben: In ihrem Speichel vereinen sie laut den Lieferanten „Bieberthaler Blutegelzucht“ eine „biologische Apotheke“ , einen einzigartigen Cocktail aus Enzymen und Wirkstoffen. Und dieser ganz besondere Saft heile und helfe auf vielerlei Arten, erläutert Elke Kubzdela: „Das sind vermutlich bis zu 100 verschiedene Wirkstoffe, die beim Trinken in den Körper des Wirtes gelangen. Hirudin beispielsweise verdünnt das Blut, andere Stoffe wirken schmerzstillend und entzündungshemmend, sie aktivieren die Mikrozirkulation und die Durchblutung. Oder sie verbessern den Lymphstrom.“ Auch bei der Patientin, die sich wegen ihrer Krampfader-Beschwerden in den Beinen behandeln lässt, arbeiten die vier Blutegel heute an der Förderung des Lymphabflusses in den Beinen. „Erst in einer folgenden Sitzung werden die Blutegel an den Beinen angesetzt. Jetzt entstauen wir erst  mal den Beckenbereich, dann wirkt die Therapie besser“, erklärt Elke Kubzdela. Die Patientin kennt das schon und vertraut der Heilpraktikerin und ihren kleinen Helfern vollkommen. Sie weiß, dass sie vor der Behandlung keine Cremes und Parfums auftragen darf, weil die Tierchen das nicht mögen. „Ich habe vor 30 Jahren zum ersten Mal eine Blutegel-Behandlung durchführen lassen. Damals musste ich dafür bis nach Salzburg reisen, weil es hierzulande keiner machte. Ich hatte eine Krampfaderoperation hinter mir und wollte das nie wieder. Seither lasse ich mich regelmäßig mit Blutegeln behandeln. Und brauche keine Operation“, berichtet die entspannt wirkende 67-Jährige.

An einen leichten Widerwillen vor ihrem ersten „Aderlass“ kann sie sich aber noch erinnern: „Ich dachte, nein, diese Tiere, das kann ich nicht. Aber es ging doch, gut sogar!“ Elke Kubzdela bestätigt: „Das ist bei fast allen so. Wenn die Leute sehen, wie sauber die Tiere gehältert werden – so nennt man ihre Haltung in Wasser -, wie hygienisch und sorgfältig die Behandlung ist, und vor allem, wenn das erste Egel ‚sitzt‘, dann entspannen sie sich sofort. Es ist eben eine natürliche Sache, die den Menschen schon immer geholfen hat.“ Sicher tragen auch Elke Kubzdelas verbindliche, angenehme Art und die entspannte Atmosphäre in ihren Praxisräumen dazu bei, dass ihre Patienten die meist nur wenige Sitzungen umfassende Blutegeltherapie als gute natürliche Alternative zu massiven schulmedizinischen Eingriffen empfinden. Elke Kubzdela betont jedoch, dass es trotz aller "Natürlichkeit" wichtig sei, die Behandlung von einer versierten Therapeutin oder einem Therapeuten durchführen zu lassen. „Durch die blutverdünnende Wirkung des Egelspeichels bluten die Ansatzstellen nach – bis zu zwölf Stunden. Das muss fachgerecht verbunden werden, und man muss die Patienten informieren, dass sie sich am nächsten Tag schonen müssen“, sagt Elke Kubzdela. Um mögliche Infektionen zu vermeiden, kommen die Blutegel nur einmalig zur Anwendung. Elke Kubzdela betrachtet sie als „segensreiche Helfer, die den Menschen von der Natur geschenkt wurden“ . Deshalb hält sie nach der Behandlung gemeinsam mit ihren Patienten immer einen Moment inne, um den Blutegeln zu danken und sich von ihnen zu verabschieden.

Als bei der heutigen Patientin die Blutegel nach etwa einer Stunde rund und satt von ihrem Kreuzbein abfallen, blutet die Frau, die die ganze Behandlung über locker dagesessen und mit uns geplaudert hat, nur wenig. Man sieht ihr an, dass sie sich gut fühlt, sehr vital und beweglich für ihr Alter. Die ehemalige Inhaberin einer Modeagentur führt es zurück auf ihre gesunde Lebensweise – und auf die Blutegel, von denen sie sich seit langem regelmäßig helfen lässt.

Elke Kubzdela, Heilpraktikerin, Nordstr. 59, 47793 Krefeld, Tel. 02151-622533; www.blutegeltherapie-krefeld.de; elke.kubzdela@gmx.de