Früher, sagt Bianca Schetter, habe sie nie still sitzen können. „Ich habe auch immer geredet oder gesungen, egal, ob es passte oder nicht. Ich hatte so viel überschüssige Energie!“ Die 13-Jährige war auch sehr angespannt. Kein Wunder: Sie stammt aus schwierigen Familienverhältnissen und lebt deshalb im Krefelder Kinderheim Marianum. Dort erfuhr sie von ihrem Gruppenleiter Richard Hee, dass einmal in der Woche ein Training in der Kampfkunst Taiwan Do angeboten wird und dass ihr das vielleicht Spaß machen und gut tun könnte. „Ein falsches Wort, und ich war sofort wütend“ , erzählt Bianca. „Das ist besser jetzt, ich bin ruhiger geworden. Stimmt doch, Richard, oder?“ Der Gruppenleiter, der auch selbst in der Taiwan Do-Akademie in Krefeld trainiert, nickt, lächelt und schildert allgemein die Vorzüge der Kampfkunst: „Es geht nicht um den Kampf; hier werden die Kinder und Jugendlichen nicht aufeinander losgelassen. Es geht um Kampfvermeidung, denn ‚ein guter Kampf ist der, der nicht gefochten wird‘. “ Während der Heimerzieher das sagt, hören wir aus dem Trainingsraum laute Kampfschreie. Das klingt aber schon – kämpferisch. Mario Frerker, die Krefelder Koryphäe des Taiwan Do, erklärt: „Ja. Aber so steuern wir die Emotionalität und schulen die Wahrnehmung. Die Kinder und Jugendlichen werden aufmerksamer, nehmen alles bewusster wahr. Auch sich selbst. Daran wachsen ihre innere Haltung und ihr Selbstbewusstsein.“
Bianca trainiert seit drei Jahren, und inzwischen nicht mehr einmal pro Woche im Kinderheim, sondern zweimal wöchentlich direkt in der Taiwan Do-Akademie in der Moritzstraße. Zusammen mit elf anderen Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren powert sie sich aus. Die Siebtklässlerin sagt: „Man wird ausgeglichener und natürlich beweglicher und stärker. Das macht mir richtig Spaß. Die Übungen sind lustige Spiele!“ Alle Jugendlichen sind mit Feuereifer dabei, als Trainer Sandy Schimmer sie zum Aufwärmen „Affenlauf“, “Froschhüpfen“ oder „Robbe“ machen lässt. Und als es beim Aufstellen zu lange dauert und der Trainer „zur Strafe“ für jede verzögerte Sekunde einen zusätzlichen Liegestütz anordnet, wird das anstandslos ausgeführt. „Das sind nicht blinde Disziplin und Unterordnung, die wir vermitteln; wir führen die Kinder zur Selbstdisziplin“ , betont Mario Frerker. Großen Anteil daran hat die Meditation. Sie ist Bestandteil jeden Trainings – und für Bianca mit das Beste am Taiwan Do. Reglos sitzt sie im Schneidersitz auf dem Boden; auf eine Frage reagiert sie nicht. „Sie wird erst wieder sprechen, wenn ich es ihr sage“, schmunzelt Sandy Schimmer. „Sie konzentriert sich darauf, kontinuierlich ein und auszuatmen. Dadurch kommt sie zur Ruhe und wieder zu sich.“ So kann Bianca schaffen, was Akademieleiter Mario Frerker sich für sie und alle seine Taiwan Do-Schüler wünscht: Dass sie etwas aus sich und ihrem Leben machen.
Taiwan Do Akademie, Moritzstraße 3, 47803 Krefeld, Tel. 02151/755863, www.taiwando.de