Ciara drängt an ihrer Mutter vorbei in den großen Therapieraum, checkt kurz das Angebot und fragt dann begeistert: „Kann ich mit der Rolle schaukeln?“ Birgit Ewerbeck, Leiterin der Abteilung Säuglings- und Kindertherapie im Reha Zentrum „salvea“ in Krefeld, erfüllt ihr den Wunsch, hakt einen großen Kunststoffzylinder in spezielle Seile – und flugs klettert Ciara in die Rolle hinein. Im Schneidersitz beugt sich die Siebenjährige vor und zurück, die Rolle schwingt, und Ciara strahlt. Auch Birgit Ewerbeck freut sich – für Ciara, und dann auch aus professionellen Gründen: Das Mädchen stärkt gerade effektiv die Rumpf-Muskulatur, verbessert die Balance und benutzt beide Hände zum Festhalten. Einfach, indem es spielt. Die Physiotherapeutin betont: „So soll es sein. Das natürliche Lernen des Kindes ist das Spiel.“ Sie lässt Ciara einige Minuten gewähren, dann fordert sie sie auf: „Du kannst auch da oben drauf klettern, da kannst du noch besser schaukeln. Mach das doch mal!“ Ciara lässt sich nicht lange bitten, zieht sich an der Rolle hoch, setzt sich drauf, und los geht’s. Jauchzend zeigt Ciara einen wilden Ritt. Was man nur bei ganz genauem Hinschauen sieht: Die kleine Krefelderin ist halbseitig gelähmt. Ihre Mutter Katrin Aktosun erklärt: „Sie hat links eine Hemiparese. Vor allem ihr Arm und ihre Hand sind betroffen, aber auch die Muskulatur im Bein. Die Ärzte sagen, dass sie wahrscheinlich das SturgeWeber-Syndrom hat. Aber ganz genau wissen sie es nicht.“ Was dafür spricht: Ciara leidet auch an epileptischen Anfällen, manchmal in fünf Nächten hintereinander, manchmal monatelang gar nicht. Das passt zu Sturge-Weber. Ebenso ein Blutschwämmchen, das sich bei Ciaras Geburt von ihrer rechten Stirn bis zum Auge herunterzog und auf eine Schädigung in der rechten Gehirnhälfte hinwies. Die wiederum wäre ein wahrscheinlicher Grund für die Lähmungserscheinungen in Ciaras linker Körperhälfte. Doch die Mutter, die als Krankenschwester arbeitet, ist skeptisch: „Wissen Sie, die Ärzte brauchen immer eine Schublade, damit sie alles einordnen können. Aber oft kommt es anders.“ Das unschöne Blutschwämmchen an Ciaras Stirn beispielsweise konnte durch eine Therapie beseitigt werden, die Ärzte vor Jahren nur durch Zufall entdeckt haben: Mit Betablockern. Die bewährten Herz- und Blutdruckmittel lassen als bis dato unbekannte Nebenwirkung solche Blutschwämmchen verschwinden. In Ciaras Gesicht ist seit dieser erstaunlichen Behandlung von der Verfärbung nichts mehr zu sehen, nur noch eine leichte Asymmetrie. Der entscheidende Grund für Ciaras Eltern jedoch, nicht so recht an das Sturge-Weber-Syndrom zu glauben, ist, dass sich der Zustand des Patienten beständig verschlechtert. Das ist bei Ciara aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Sie entwickelt sich weiter. Sie kann laufen, sogar rennen und hüpfen, mit Messer und Gabel essen, sich selbst anziehen, ist immer fröhlich und aktiv und geht, ihrem Alter entsprechend, in die zweite Klasse. „Sie ist allerdings verzögert in ihrer Entwicklung; allgemein um etwa sieben Monate, und sprachlich etwas mehr, vielleicht um ein Jahr“ , sagt Ciaras Mutter. Deshalb geht das Mädchen einmal in der Woche für 45 Minuten zu Cristina Cozzuto im „salvea kids“ . Die Logopädin macht mit ihr beispielsweise „WortTransport“ , ein Brettspiel, das wie eine Drehscheibe aufgebaut ist und mit dem Ciaras Wortschatz ausgebaut und ihr Satzbau und ihre Grammatik trainiert werden – ohne dass dem Kind diese Sprachentwicklungsförderung lästig würde. Ciara spielt und genießt es. „Ich kaufe einen Nachttisch und einen großen Schuhschrank für meine fünf Schwestern!“ , verkündet sie vergnügt und amüsiert sich, als sie in das gespielt entsetzte Gesicht ihrer Mutter blickt. Normalerweise sind die Eltern nicht dabei bei den Therapien. Denn die Kinder können sich dann besser konzentrieren. Birgit Ewerbeck ergänzt: „Es gehört zu unserem Konzept, dass wir die Eltern auch entlasten möchten. Sie können die freie Zeit nutzen, Kaffee trinken, spazieren gehen, etwas erledigen – oder einfach mal verschnaufen.“ Das lohnt sich speziell im „salvea kids“ , wo die drei Therapieformen Logopädie, Ergo- und Physiotherapie unter einem Dach angeboten werden. Da kommen für die Eltern schon mal zwei bis zweieinhalb Stunden „Auszeit“ zusammen, wenn Therapien hintereinander gelegt werden können. Das ist bei vielen der etwa 100 jungen Patienten im Alter von sieben Tagen bis 18 Jahren so – und hat neben der Ersparnis doppelter oder dreifacher Fahrten zu unterschiedlichen Adressen auch den großen Vorteil, dass die Therapeuten sich unmittelbar im Haus miteinander absprechen können.
Ciara hat immer mittwochs Logopädie und Physiotherapie. Auch noch Ergotherapie an diesem Tag wäre zu anstrengend. Sie muss ja bei allen Behandlungen richtig mitarbeiten. Deshalb kommt Ciara zur Ergotherapie an einem anderen Tag. Dabei wird ihre Konzentrationsfähigkeit geschult, die Balance, die Wahrnehmung, der Tastsinn und die Feinmotorik besonders des linken Armes, der Hand und der Finger. In der eng darauf abgestimmten Physiotherapie geht es darum, ihre Beweglichkeit generell zu erhalten und zu erweitern. Die Übungen sollen die gesamte Muskulatur stärken und dehnen, die Gelenke beweglich, gerade und belastbar erhalten, Ciaras zu festen Muskeltonus auf der linken Körperseite lockern und Muskelverkürzungen entgegenwirken. Die Therapeutinnen im „salvea kids“ lassen sich dazu Einiges einfallen: Heute etwa muss Ciara einen Spiegel mit Rasierschaum beschmieren, während sie auf einem Schaukelbrett steht und ihre „Stamm“-Physiotherapeutin Gunhild Hoersch ihre Kniegelenke festhält. Das Kind lacht, zappelt und patscht mit beiden Händen den ganzen Spiegel voll. „Chiara ist sehr motiviert, mit ihr zu arbeiten macht großen Spaß, und wir sehen auch deutliche Erfolge“ , lobt Gunhild Hoersch. Vermutlich wird Ciara ihr ganzes Leben lang immer wieder in Therapie müssen. Doch Ciara und ihre Mutter sehen das gelassen. Die Mutter sagt: „Wir haben uns daran gewöhnt, für uns ist das wie Zähneputzen. Hauptsache, es hilft, dass Ciara so selbstständig wie möglich wird und bleibt.“ Sie ist auf einem guten Weg.
salvea kids, Westparkstr. 107-109, 47803 Krefeld, Tel. 02151-78117-0, www.salvea.de/kids