Es tut nicht weh. Trotzdem leiden die Patientinnen extrem. Wenn eine Frau von Inkontinenz betroffen ist, hat sie vor allem ein Problem: Die Scham. Die Angst davor, dass die Flüssigkeit, die sie ungewollt verliert, entdeckt werden könnte. Die verräterischen Flecken, die unangenehmen Gerüche. Dr. Hajo Wilkens, der als Gynäkologe im Kempener Hospital zum Heiligen Geist Frauen mit Inkontinenz behandelt, nennt die Einschränkungen der Lebensqualität, wenn die Blase nicht dicht ist: „In leichteren Fällen kennen die Frauen jede Toilette in der Stadt, die sie notfalls schnell aufsuchen können. Wer stark inkontinent ist, zieht sich zurück, traut sich nicht mehr unter Leute. Und auch die Partnerschaft kann sehr gestört werden.“ Etwa fünf Millionen Frauen, schätzt Dr. Hajo Wilkens, sind in Deutschland von „unwillkürlichem Harnabgang“ betroffen. Unterschieden wird zwischen zwei Hauptarten: der Stress- oder Belastungsinkontinenz und der Dranginkontinenz. Letztere entsteht durch unbeeinflussbare Kontraktionen der Blasenentleerungsmuskulatur und bewirkt, dass die Patientin das Wasserlassen nicht mehr zurückhalten kann, auch bei nur leichter Blasenfüllung und selbst kurz vor der nächsten Toilette. Dr. Hajo Wilkens beschreibt die Therapie: „Hier kann man mit blasenberuhigenden Medikamenten Abhilfe schaffen. Je nachdem, was die Untersuchung ergeben hat, kombiniert man das mit gezielter Becken bodengymnastik und vielleicht einer lokalen Hormonbehandlung. Wichtig ist die gründliche Diagnose vorab!“ Sie sei sogar das A und O der wirksamen Therapie bei Inkontinenz, das betont der Gynäkologe mehrfach. Denn wenn es sich bei der Blasenschwäche um eine Stress- oder Belastungsinkontinenz handelt, sieht die Behandlung völlig anders aus. Die Patientin wird „minimalinvasiv“ operiert, also mit einem kleinen, nahezu unblutigen Eingriff. Und es ist auch nur ein kleines Bändchen aus Kunststoff, das sogenannte „tension free vaginal tape (TVT)“ , das dabei unter der Harnröhre platziert wird, sie hochhält und so verhindert, dass der Patientin wie bisher bei jedem Lachen, Niesen, Husten, Bücken oder Heben Urin ausläuft. Dr. Hajo Wilkens schwärmt: „Das ist eine geniale Entdeckung, dieses TVT. So einfach und so wirkungsvoll. Die Heilungsrate beträgt 97 Prozent.“ Auch Mischformen der Inkontinenz sind möglich, aber sie können ebenso gut und zuverlässig behandelt werden. Wenn denn die Frauen ihre Scham überwinden und sich an einen Arzt oder eine Ärztin wenden. Dr. Hajo Wilkens möchte von Blasenschwäche betroffenen Frauen Mut machen, diesen ersten Schritt zu tun. Er berichtet von einer Patientin, die nach Jahren des stillen Leides nach der Operation vor ihm gestanden und gejubelt habe: „Ich bin wieder dicht!“ Die Frau habe das Wasser nicht halten können – nur das es diesmal Tränen waren: Tränen der Freude.
Info und Kontakt: Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe des Hospitals zum Heiligen Geist Kempen, Von-Broichhausen-Allee 1, 47906 Krefeld, Tel. 02152-142376