Die Nähe zu einer Trainingsstätte ist das eine, das Interesse für die ungewöhnliche Sportart das andere. „Ich wollte etwas machen, das nicht jeder macht und dann haben mich diese abklappbaren Schlittschuhe fasziniert“ , erzählt Johannes Brunner über seinen ersten Kontakt zum Eisschnelllauf, der über eine Schul-AG zustande gekommen war. Inzwischen zählt der 18-Jährige aus Oedt zu Deutschlands besten Nachwuchs-Athleten und hat von seinem sportlichen Werdegang eine klare Vorstellung: „Mein Ziel sind die Olympischen Spiele“ , sagt er selbstbewusst. Dafür trainiert er nach der Schule täglich zweieinhalb Stunden. Nicht nur auf dem Eis - auch Radfahren, Laufen und Krafttraining stehen auf dem Programm. Wichtiger Bestandteil ist das Imitationstraining, bei dem auf festem Boden die typisch gebückte Laufposition simuliert und dabei die Beinmuskulatur gekräftigt wird. Ein gutes Körpergefühl ist eine wichtige Voraussetzung. Bei der Technik kommt es darauf an, den Luft wiederstand möglichst gering zu halten. Der runde Rücken, das Sichmöglichst-klein-Machen, die Fallbewegung. „Das alles geht voll in die Oberschenkel“ , so Brunner. Die Profis mit den kräftigen Beinen kommen so auf bis zu 65 bis 70 Stundenkilometer. Im Trainingslager im bayerischen Inzell hat der Schüler zuletzt neue persönliche Bestzeiten über 1000 und 1500 Meter aufgestellt und ist für die kommenden Junioren-Weltcups gut gerüstet.
Ebenfalls hoch motiviert präsentiert sich Katja Franzen. Die 24-Jährige, die 2008 zu den besten Juniorinnen der Welt gehörte, will es in diesem Winter noch einmal wissen. Eigentlich hatte sie ihre sportlichen Ambitionen hinten angestellt, um sich dem Studium zu widmen, doch die Nominierung für den Weltcup in Inzell im März dieses Jahres hat sie zum Umdenken bewegt. „Katja hat es ohne wirklich professionelles Training zu einem Weltcup-Start gebracht. Das spricht für ihr großes Potenzial“ , erklärt Jan Coopmans, leitender Bundestrainer am Leistungsstützpunkt Grefrath. Franzen hatte zuletzt im niederländischen Nimwegen, im Mutterland des Eisschnelllaufs, studiert und trainiert. Nun kehrt sie in ihre Heimat, auf die Bahn, auf der sie aufgewachsen ist, zurück und will noch einmal „richtig angreifen“ , wie sie sagt.
„Ich habe mein Studium vorerst auf Eis gelegt, um wieder täglich trainieren zu können. Und das kann ich am besten hier in Grefrath“ , sagt die Sprintspezialistin. Ebenfalls über ein Schnupperangebot in der Schule in Oedt war sie damals zu ihrem Sport gekommen. Etwas Ausgefallenes wollte sie machen. „Mit hoher Geschwindigkeit über das Eis zu gleiten, die Technik, das Adrenalin, das macht für mich das Besondere dieser Sportart aus“ , sagt sie. „Katja hat das Zeug für Olympia“ , ist sich Coopmans sicher.
Sie, wie auch Johannes Brunner, würden damit eine erfolgreiche Tradition des EC Grefrath fortsetzen, der mit Christian Breuer (Olympia-Teilnehmer in Nagano 1998, Salt Lake City 2002, insgesamt rund 90 Weltcup-Rennen) und Stefan Heythausen (2006 Turin) in der Vergangenheit bereits zwei absolute Weltklasse-Athleten hervorgebracht hat. Acht Sportler des Vereins gehören aktuell den verschiedenen Bundeskadern an. Neben Franzen (B-Kader) und Brunner (C-Kader) genießen auch Tamara Kapischke, Joshua Anderson (beide B-Kader) sowie Maximilian Frenken, Justus Jahn, Max Reder und Miriam Kapischke (C/D-Kader) eine intensive Betreuung. Bis 2018 hat der EC Grefrath, der die Anlage des örtlichen Eissportzentrums nutzt, den Status „Bundesstützpunkt Nachwuchs“ , als Außenstelle des Olympiastützpunkts Rhein-Ruhr (Essen), weiterhin sicher. Neben der Leistungsförderung steht für die Vereinsverantwortlichen vor allem die Gewinnung neuer Talente und Mitglieder im Fokus. Auch HobbyEisschnellläufer , die von den Trainern Christian Schwan und Julia Lindackers betreut werden, sind beim EC Grefrath jederzeit willkommen. Insgesamt hat der Klub 175 Mitglieder, davon sind rund 60 Leistungssportler. „Wir haben Kooperationen mit neun Schulen und versuchen hierüber die Kinder für den Sport zu begeistern“ , erklärt Theo Pastoors, seit 1992 Vorsitzender des Vereins. Entscheidend sei vor allem die Unterstützung der Eltern. Um richtig gut zu werden, sei es „wichtig, möglichst viel Zeit auf dem Eis zu verbringen“, sagt Perspektivtrainer Toni Liebezeit. Dies sei „auf dem Land“ , wo die Entfernungen größer sind und das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel nicht so dicht ist, manchmal problematisch. Schule und Training zu vereinbaren bedarf daher einer guten Organisation sowie einer Menge Disziplin. Doch wer dem Geschwindigkeits-Kick auf dem 400-Meter-Oval einmal verfallen ist, kommt davon nicht mehr so schnell los. Wer den Sport leistungsorientiert betreiben will, dem stehen in Grefrath alle Möglichkeiten offen. Nicht zu letzte wegen der besten Trainingsbedingungen und eines Top-Trainerteams mit Jan Coopmans an der Spitze, der als Niederländer den Sport ohnehin im Blut hat. Aktuell haben seine Landsleute im internationalen Eisschnelllauf die absolute Vormachtstellung. Doch es ist gut möglich, dass demnächst wieder ein Name vom EC Grefrath in der erweiterten Weltspitze auftaucht und vielleicht sogar den großen Sprung zu den Olympischen Spielen schafft – aus der kleinen aber feinen Eisschnelllauf-Hochburg am Niederrhein.
Eisschnellaufclub Grefrath 1992 e.V., Friedensstraße 6, 47929 Grefrath, Tel. 02158–5651, www.ec-grefrath.de