Sie tragen Schnorchel und Flossen im Hallenbad, jagen unter Wasser zu zwölft einem kleinen weißroten Ball hinterher, zerren und schubsen aneinander herum, der Torhüter muss auf dem  Korb liegen, und ab und zu sieht man einen von ihnen mit den Händen klopfen. 

Abgedreht? Jedenfalls abgetaucht: Etwa 40 Menschen betreiben in Krefeld Rugby unter Wasser. Als Mitglieder des Deutschen Unterwasser Clubs Krefeld (DUC) spielen sie - weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit – im tiefen Becken ihr schnelles, kontaktreiches, schwer überschaubares Spiel. Wenn ihnen die Puste ausgeht, holen sie kurz Luft durch den Schnorchel. Den Blick nach unten gerichtet, um nichts zu verpassen. Und dann geht’s wieder runter, mit vollem Körpereinsatz dem Ball hinterher. Der lässt sich mit seinen zweieinhalb Kilo unter Wasser nicht werfen, sondern nur stoßen, und kommt auch nicht weit. Denn da ist der Wasserwiderstand. Und überall die gegnerischen Spieler, die auch den Ball wollen. Das hält so ein Spieler ein, zwei Minuten durch, dann lässt er sich austauschen für eine Atempause auf der Bank. Bis sein Auswechselspieler auch nicht mehr kann und er wieder ‘runter muss. Gespielt werden zwei mal 15 Minuten; danach sind die Spieler erst mal erledigt. Freitagabend im Badezentrum Bockum: Acht Unterwasserrugbyspieler vom DUC treffen sich zum Training. Ich rechne mit muskelbepackten Rabauken - und lerne besonnene, normal gebaute Jungs, Männer und eine Frau kennen, die sich herzlich begrüßen. Einer von ihnen ist Martin Meskes. Der Wintergartenbauer und Architekturstudent erklärt uns, was es mit dem Klopfen auf sich hat: „Das ist unter Wasser unsere einzige Verständigungsmöglichkeit. Rufen ist ja nicht möglich. Aber das Klopfen kann man unter Wasser hören.“ Oft klopfen die Spieler übrigens nicht – in der Regel sind sie so gut aufeinander eingespielt, dass sie wissen, was ihre Mitspieler gerade machen oder planen. 

Vor neun Jahren hat der heute 25-jährige Martin Meskes mit Unterwasserrugby angefangen, weil das auch sein Vater spielte. Und immer noch spielt, seit nunmehr 23 Jahren. Ulrich Meskes weiß, wie Unterwasser-Rugby einst entstanden ist. „Es wurde erfunden, damit das Tauchtraining ohne Sauerstoffgerät nicht so langweilig ist.“ Das Spiel fand viele begeisterte Anhänger. Es ist ein sehr athletisches Training, bei der die Spieler mit vollem Einsatz gegeneinander um den Ball kämpfen, ohne dass es je gefährlich würde. „Wir sind ja quasi schwerelos“ , so Ulrich Meskes, „Wir raufen mit aller Kraft und powern uns voll aus, aber wir tun uns nicht weh.“ Unterwasserrugby baue so viel Stress ab und mache so glücklich, dass der 57-Jährige schmunzelnd sagt: „Das macht süchtig.“ So wie Ulrich und Martin Meskes geht es vielen Unterwasserrugby-Spielern beim DUC Krefeld: Der Sport ist eine Art Geheimtipp, der von Vater zu Sohn (oder seltener auch Tochter) weitergegeben und gemeinsam ausgeübt wird. Auch Torhüter Jan Kindermann kam so zum Unterwasserrugby. Der 22-Jährige liebt es, sich allen Angriffen von oben, unten und der Seite zum Trotz auf dem Korb liegend zu halten, damit möglichst keiner den Ball in den Korb werfen kann. Schwerstarbeit und wilde Balgerei zugleich. Ein Spaß für den Psychologiestudenten, der uns voller Begeisterung an Land demonstriert, wie er sich als Torhüter gegen seine Kontrahenten zur Wehr setzt. Die Spieler gehen zwar unter Wasser ruppig miteinander um, aber Fairness und Zusammengehörigkeit werden groß geschrieben. Nicht nur in Krefeld, Köln, Aachen,  Mülheim, Duisburg oder Mönchengladbach, sondern europaweit  bilden die Unterwasserrugby-Spieler eine verschworene Gemeinschaft. Man kennt sich, schätzt sich - und misst sich miteinander. 

Ende Mai: Europameisterschaft in Krefeld
Hier bei uns in Krefeld findet das nächste hochkarätige Kräftemessen statt: Der DUC  Krefeld organisiert die 10. Offene Europameisterschaft im Unterwasserrugby. Vom 26. Mai bis zum 1. Juni 2014 werden im Badezentrum Bockum die Spitzenteams aus Europa und anderen Kontinenten um den Titel kämpfen. Eingeladen sind alle nationalen Damen- und Herrenauswahlmannschaften aus Österreich, Italien, Spanien, Tschechien, Skandinavien und der Türkei. Da die Meisterschaft „offen“ ausgeschrieben ist, sind auch Teilnehmer aus nichteuropäischen Verbänden zugelassen. Bei Redaktionsschluss stand noch nicht fest, wer alles kommt, aber erwartet werden etwa 200 Teilnehmer. Ausgetragen wird die EM im Badezentrum Bockum, genau dort, wo die Krefelder Rugbyspieler zweimal wöchentlich trainieren. Denn das tiefe Becken mit seinen 4,10 Metern Tiefe, 21 Metern Länge und acht Metern Breite bietet ideale Bedingungen für Wettkämpfe. Außerdem ist das Becken sehr glatt, weil mit Stahl ausgelegt; dadurch minimieren sich die beim  Unterwasserrugby üblichen Abschürfverletzungen auf ein Minimum.

Und noch einen Vorteil bietet dieses Becken: Es ist so groß, dass am Kopfende eine  abgetrennte Zone für Zuschauer bleibt. Wer möchte, kann selbst ins Wasser steigen und mit Taucherbrille und Schnorchel dem Spiel unter Wasser folgen. Aber auch weniger wasserfeste Zuschauer sollen bei dem internationalen Event auf ihre Kosten kommen. Alle Spiele werden mit Unterwasserkameras übertragen, sowohl auf Bildschirmen vor Ort, die man von der Tribüne aus betrachten kann als auch im Internet. Auf der Website des  Verbandes deutscher Sporttaucher (VDST) und unter der Domain www.oec2014.eu wird es während der gesamten Veranstaltung einen Livestream mit Kommentar geben. 

Je nach Zahl der teilnehmenden Mannschaften ist für die ersten beiden Tage der EM Trainings zeit angesetzt. Danach beginnt der eigentliche Wettkampf, der mit Finalrunde und Gala-Dinner am Samstag abgeschlossen wird. Die ganze logistische Organisation, wer wann gegen wen spielt, die Unterbringung der Teilnehmer, die Siegerehrung, das  Catering und was sonst noch dazu gehört, übernehmen für diese 10. EM in Krefeld Vater und Sohn Meskes. Ehrenamtlich, versteht sich. Auch Preisgelder für die Gewinner wird es nicht geben, nur einen Pokal. Unterwasserrugby ist eben kein werbetauglicher  Mediensport, sondern fristet ein Nischendasein. Von den Spielern, die wir beim Training in Bockum treffen, wird vermutlich nur Martin Meskes an der Europameisterschaft als Nationalspieler teilnehmen. Dafür muss er aber noch zwei Qualifikationsrunden bestehen. Weitere Informationen zum DUC Krefeld unter www.duc-krefeld.de.